Oben: Tiger – die viel gesuchten Stars indischer Nationalparks. Trotz aller Kompetenz von Guides und Fahrern bedarf es aber auch immer einer gehörigen Portion Glück, sie halbwegs frei zu sehen oder gar länger zu beobachten.
Auch wir waren vor allem wegen der Tiger gekommen, die 1976 nicht im Bereich meiner damaligen Möglichkeiten lagen. Ranthambore, heute das berühmteste Tigerreservat Indiens, gab es damals als Nationalpark noch gar nicht und Tiger waren in der allgemeinen indischen Wahrnehmung eher gefährliche Entwicklungshemmnisse als wirtschaftlich interessante Investitionsmöglichkeiten.

In Ranthambore gibt es neben flachen Seen auch uralte, großteils verfallene Paläste und Tempel, die dem Park eine besondere Aura geben. Die Teiche sind in der Trockenzeit wichtige Jagdgebiete für die Tiger.
Die Naturparks Indiens sind mittlerweile volkswirtschaftliche Hochleistungsmaschinen geworden. In einem Land mit extremer Bevölkerungsdichte vermutlich die einzige Chance, Reste der indischen Natur zu erhalten. Vor diesem Hintergrund buchten wir weit im Voraus jeweils eine Woche täglicher Gamedrives in Ranthambore und im Bandhavgarh National Park und bekamen dadurch dann auch die Parkabschnitte, die Stephan uns empfohlen hatte.

In Ranthambore wuchern beeindruckende Feigen, der übliche Geländewagen für die Parktouren wirkt daneben wie ein Zwerg.

Das ist wohl so in etwa der Traum der Besucher: Ein unbefangener mächtiger Tiger, wenige Meter neben dem Wagen. Nun ja, der Hintergrund wird selbstverständlich dann auch zum größten Teil durch andere Autos bestimmt, in diesem Fall von unserem….

Es ist sinnlos, sich über solche Situationen aufzuregen: der heutige Massentourismus macht Ziele zugänglich, die vor einigen Jahren für die meisten Gäste unerreichbar oder unfinanzierbar gewesen wären. Wenn man das begehrte Naturjuwel nicht unter die Räder kommen lassen will, müssen eben strenge Regeln beachtet werden.
Meine Erwartungen an Naturerlebnisse waren nicht allzu hoch. Auch hier muss der Touristenandrang straff organisiert werden, was rigide Vorgaben der zu nutzenden Sektoren zur Folge hat. Man kann also nicht, wie es uns aus Kenia eigentlich selbstverständlich erscheint, nach Belieben oder aktuellen Tiersichtungen im Park umherfahren. Dazu kommen strikte Zeitlimits und kein Fahrer dürfte es wagen, die vorgegebenen Pisten zu verlassen – das würde sofortige Konsequenzen für seine Lizenz haben. Landschaften und Vegetation der Schutzgebiete lassen außerdem nur selten längere Beobachtungen von Tierinteraktionen zu. Vor diesem Hintergrund hofften wir bei den uns zur Verfügung stehenden zwei Wochen in den Parks halt auf ein paar Schnappschüsse einer uns fremdartigen Tierwelt.

Das große Hoffen – aber es gibt kaum was zu meckern: Allein die Möglichkeit einen ganzen Vormittag realistische Chancen auf längere Tigerbeobachtungen zu haben, ist so eine Reise schon wert. Und man kann sich immer damit trösten, dass ohne diesen Zirkus die Gebiete ökologisch vermutlich schon längst ruiniert wären.

Man muss früh aufstehen, um mit erstem Licht in den „Dschungel“ (wie man den laubabwerfenden, im Frühjahr sehr trockenen, Wald hier nennt) zu kommen. Shiva, der Guide, der uns für die Woche in Ranthambore zugeteilt war, feuerte die Erwartungen trotz der schwierigen Umstände an: Überall im Wald achten Hirsche, Antilopen, Languren und unzählige Vögel auf die tödlichen, gestreiften Nachbarn! Man müsse „nur“ ihre Rufe zu deuten wissen und das Pistensystem genau kennen. Was soll ich sagen? Nach 30 Minuten hatten wir die erste Tigerin in Ranthambore vor uns – völlig unbefangen kam sie uns auf der Piste entgegen, in die die Shiva nach den Alarmrufen der Axishirsche abbog.

Am Nachmittag fanden wir prompt die beiden Brüder der jungen Tigerin vom Morgen, die sich gnädigst für ein paar Nahaufnahmen wenige Meter neben der Piste präsentierten. Diese Familie war nun das tägliche Ziel der Bemühungen von Shiva. Auch wenn wir oft frühmorgens oder spätabends schlechtes Licht hatten und meist mit sehr hohen Iso-Werten fotografieren mussten, kamen in Ranthambore doch einige sehr interessante Bildstrecken zustande. Schaut selbst.

Das Weibchen der ersten Sichtung gehört zu einer Familie von 2 Brüdern und einer Schwester, die noch ihrer Mutter folgten. Regelmäßig suchten sie die Seeufer ab, um Hirsche zu überraschen, die durch die Trockenheit nun stark auf Wasser angewiesen waren.

Das gab wunderbare Gelegenheiten, ihren übereifrigen Jagdspielen zuzuschauen, die aber immer in fruchtlosen Wasserspielen endeten. Trotzdem – es war höchst unterhaltsam!

Man wusste nie, was passieren würde. Alles vor dem Hintergrund, dass die Katzen jederzeit im Gestrüpp verschwinden können!

Unverhofft wurde es dann aber doch ernst: Ein Sambarhirsch hatte sich dem Tumult nicht angeschlossen und fraß wieder im Flachwasser an den wuchernden Pflanzen.

Es wurde spannend, als eines der jungen Männchen das Ufer entlanglief, um ihm den Weg aus dem Wasser zu verlegen. Wir trauten unseren
Augen nicht!

Aber der junge Tiger überschätzte seine Fähigkeiten im halbtiefen Wasser dann doch: der Sambar war auf seinen langen Beinen im Wasser viel schneller und entkam mit großem Vorsprung.



Doch der Strand war zu breit, es waren ca 6 Meter bis zu den Echsen – und die reagierten erstaunlich schnell und wendig. Ins Wasser verfolgte der junge Tiger sie dann doch nicht: Sumpfkrokodile können über drei Meter lang werden, da lässt man sich als Anfänger besser nicht auf eine Wasserschlacht ein!