Bei meinen ersten Versuchen von Nachtaufnahmen mit einer Thermokamera bei den Dreharbeiten zu den Löwenfilmen 2013/14 war die Auflösung der damaligen Technik noch ziemlich unbefriedigend. Seit einiger Zeit hat sich dies aber deutlich verbessert, so dass nun Nachtvideos mit annähernder HD-Auflösung ohne zusätzliches Licht erstellt werden können. Natürlich reizte es mich nach den Erfahrungen von 2014 bei meiner jetzigen Reihe über die Raubtiere der Mara auch ihre nächtlichen Aktivitäten zu dokumentieren.

Um es vorwegzunehmen: Auch die neuen Thermokameras können nicht zaubern und nach wie vor stehen der üblichen Arbeitsweise im Tierfilm die viel zu kurzen Brennweiten der verfügbaren Objektive entgegen. Man müsste eigentlich viel zu dicht an den Tieren bleiben, was aber trotz Verzicht auf Scheinwerfer zu Störungen der Protagonisten führen würde. Im Vergleich zu den sonst im Tierfilm üblichen Schnitten mussten hier also einige Kompromisse eingegangen werden. Es gab, meist nur mit Sternenlicht, viel zu manövrieren für Jonathan Tira, der wieder mein Driver/Guide war. Und es kamen einige durchaus beeindruckende Sequenzen zusammen, die einen neuen Blick auf das nächtliche Drama zwischen Jägern und Gejagten erlauben.

Das Ganze war durchaus kein gemütliches nächtliches Lauschen und Schauen. Wir hatten jede Menge Gewitter und Regen (was szenisch durchaus manchmal willkommen war) aber Jonathan Tira in den endlosen Nächten so manches Mal in die Erschöpfung trieb. Denn er musste ohne Scheinwerfer den tückisch glatten und oft überschwemmten Boden meistern.

Gewitter bei Vollmond. Szenisch waren solche Situationen mir sehr willkommen, aber Jonathan musste in stockdunkler Nacht ohne Scheinwerfer mit dem Boden fertig werden.

Blick in eine gespenstische Welt: Die Nachtsichtkamera ermöglichte, ohne jedes störende Licht den Jägern und Gejagten in der Finsternis zu folgen.

Afrikas Jäger der Nacht (NDR 2019, 43 Minuten)

Trailer „Afrikas Jäger der Nacht“, NDR 2019

Huftiere haben im Prinzip die gleichen Fähigkeiten, sich nachts optisch zu orientieren wie Katzen. Bei ihnen hat sich unabhängig von den Raubtierartigen ebenfalls eine reflektierende Schicht (das “Tapetum lucidum”) hinter der Netzhaut gebildet, was eine effektive Verdopplung der Lichtempfindlichkeit bedeutet. Es herrscht also “Waffengleichheit”: Von den oft beschworenen genialen Jagdfähigkeiten der nächtlichen Räuber kann kaum die Rede sein.  Oft sah man auf dem Bildschirm, dass Löwen nah stehende Beutetiere gar nicht wahrnahmen, solange die sich nicht durch Geräusche verrieten! Kein Wunder, dass nachts alle Beteiligten meist sehr leise zu Werke gehen. Aber grundsätzlich sind Jäger, die lautlos im Hinterhalt liegen können, unter nächtlichen Bedingungen natürlich im Vorteil!

Löwin greift in der Dunkelheit eine Leierantilope an. Die Antilope reagiert auf das Geräusch und flüchtet rechtzeitig, obwohl sie wenig sieht. Generell sind die Angreifer in der Finsternis im Vorteil, aber die Huftiere stehen ihnen in der Nachtsichtfähigkeit nicht nach. Auch sie haben ein Tapetum lucidum, wodurch die Empfindlichkeit der Augen etwa verdoppelt wird.

Hier war die Löwin erfolgreich. Allerdings ist die Jagd in der Dunkelheit nicht sehr viel einfacher als am Tag.

Es wurde zudem Zeit, einem in der Mara seit 10 Jahren bekannten Misstand filmisch Ausdruck zu verleihen: Jede Nacht treiben Masai an die 40 000 bis 45 000 Kühe in das Reservat. Die nördlichen Ebenen in der Nähe der Siedlungen sind seit Jahren zentimeterkurz abgeweidet, an vielen Stellen ist die Grasnarbe durch Huftritt zerstört. Die reichen Masai – denen das meiste Vieh gehört (1000 bis 2000 meist als Statussymbole gehaltene Kühe sind nicht ungewöhnlich bei vielen Clanchefs) – kommen damit seit Jahren durch, da auch hochrangige Masai Politiker an diesem “Geschäft” beteiligt sind. Nicht anders als in den Industrieländern, wo es keine Alternative zu Energie- und Rohstoffverschwendung zu geben scheint, findet man auch in der Masai Gesellschaft seit Jahrzehnten angeblich keine Alternative zu der archaischen Viehhaltung der Altvorderen. Heute – bei mehr als verzehnfachten Bevölkerungszahlen – ist es unmöglich dort nur von Viehwirtschaft leben zu wollen: Die Böden sind inzwischen extrem überweidet und so weicht man in das scheinbar noch “heile” Schutzgebiet aus. Das bedroht nun in einem der volkswirtschaftlich wichtigsten Tourismusgebiete Afrikas die ökologische Grundlage der attraktiven Huftierfauna und leider auch ganz unmittelbar die Zukunft der großen Raubtiere. Denn natürlich kommt es jede Woche zu nächtlichen Viehverlusten durch Löwen und Hyänen – und natürlich töten Masai mittlerweile regelmäßig Löwen und Hyänen, ganz abgesehen von Tausenden Geiern, die durch die ausgelegten Giftköder gleich “mitvergiftet” werden.

Thermoaufnahme eines Hirten, der nachts Kühe illegal im Masai Mara Schutzgebiet weidet.