Nach vielen Jahren kamen wir jetzt endlich mal wieder dazu, Thomas Carow in seiner Spezialgärtnerei für Fleischfressende Pflanzen zu besuchen. Das passte gut, weil ich gerade kürzlich durch die Interview-Anfrage von www.deutschland.de um einige Reflexionen zu meinen filmischen Anfängen gebeten wurde und Thomas zu den Leuten gehört, die entscheidend zu meinem Filmstart beigetragen haben.

1980 brachte Thilo Schmidt-Rogge, ein Studienkollege an der FU Berlin, mich in Kontakt mit Thomas, einem angehenden Gartenbau-Ingenieur, der schon als Kind eine Leidenschaft für Karnivore Pflanzen hatte und damals deutschlandweit die besten Haltungsbedingungen für diese heiklen Pfleglinge entwickelte. Nach wenigen Stunden war klar, dass wir unbedingt mit der damaligen an der Freien Universität verfügbaren Filmtechnik und den leistungsfähigen Pflanzen, die Thomas und Thilo herangezogen hatten, die spektakulären Leistungen dieser grünen Fleischfresser zur Geltung bringen wollten.

Thilo Schmidt-Rogge und Thomas Carow bestaunen die Performance von Dionea muscipula, der Venusfliegenfalle. Die Beiden lockten mich 1980 in ein sehr anregendes Filmabenteuer, das für mich weitreichende Folgen hatte.


Selbst damals war die Zeitraffertechnik für die uralte ARRI ST schon anachronistisch, aber sie funktionierte. Die Pflanzen mussten in einem großen „Klimakasten“ gehalten werden, um die nötige Temperatur und Luftfeuchtigkeit für die perfekte Reaktionsfähigkeit zu haben (bei der Hitze der damaligen Scheinwerfer keine Kleinigkeit!!). Aber dafür sorgte halt Thomas. Das Ganze übrigens zu Weihnachten 1980, im Bienenfreiflugraum des Zoologischen Instituts, der im Winter gerade nicht gebraucht wurde…

In unserer Begeisterung hatten wir zunächst auch andere Arten auf der Liste, und die sollten so oft wie möglich mit Freilandatmosphäre gedreht werden. Thilo und Thomas prüfen die Bildwirkung, Gabi „lässt uns spielen.“

Ich scheine nicht so recht überzeugt, jeder Meter Film war inklusive der Entwicklung teuer! Und wie man auch hier sieht, hatten wir panische Angst, das Material könnte durch die Sonne zu warm werden.

Ich hatte etwas Erfahrung im Makrofilmen durch meine Mitarbeit in der Hornissenarbeitsgruppe am Zoologischen Institut und das genügte, um vom damaligen Hochschulfilmreferat der FU eine schon etwas in die Jahre gekommene 16mm Ausrüstung und ein paar Rollen Filmmaterial gestellt zu bekommen. In naiver Begeisterung legten wir los und merkten schnell, dass die Dinge dann so einfach doch nicht sind. Aber wir hatten eine steile Lernkurve und bald gab es viel Unterstützung aus verschiedenen Instituten und Laboren, so dass tatsächlich ein „richtiger“ wissenschaftlicher Film Formen annahm.

Thilo senkt feine Sondendrähte auf ein Fangblatt der Venusfliegenfalle, um vor der Kamera die Funktion der Aktionspotenziale zu demonstrieren, die im Blatt bei Berührung von Fühlborsten erzeugt werden. Das Oszilloskop dahinter macht die Potenziale beim Zuklappen für die Kamera sichtbar. Wir wurden von mehreren Wissenschaftlern großzügig unterstützt, sei es mit Rasterelektronenmikroskop Aufnahmen, Fluoreszenz Mikroskopie oder einfach, indem wir abends manchmal noch Labore benutzen durften.

Wir folgten professionellen Ratschlägen und beschränkten uns auf eine detailliertere Darstellung der wohl beeindruckendsten Fleischfressenden Pflanze überhaupt: Der Venusfliegenfalle (nach Charles Darwins Meinung die „wunderbarste Pflanze der Welt“!) Der Streifen wurde vom seinerzeit führenden Institut für den Wissenschaftlichen Film in Göttingen (IWF) übernommen und war jahrelang der am häufigsten für Unterricht und Forschung ausgeliehene Film des IWF!

Ausschnitt aus „Die Venusfliegenfalle, Dionea muscipula“, Hochschulfilmreferat der FU Berlin, IWF Göttingen, 1982

Damals war es durchaus möglich, mit einem Augenzwinkern auch solche Sequenzen in einen Unterrichtsfilm einzubauen (Musik von Rolf Bauer aus Berlin). Die Schüler haben es offensichtlich zu schätzen gewusst: Der Film war lange der am häufigsten beim IWF ausgeliehene Streifen. Alle Blattreaktionen sind hier übrigens in Originalgeschwindigkeit wiedergegeben. Die Pflanze schaffte es tatsächlich, quicklebendige Stubenfliegen zu fangen – das soll man mit der bloßen Hand erst einmal nachmachen!

Nach dem Erfolg der Venusfliegenfalle machten Thomas und ich noch einen Film über die erstaunliche Ökologie der „Wanzenpflanzen“ (Roridula dentata und R. gorgonia), auf denen ein ganzer Mikrokosmos von Kommensalen lebt, die den extrem klebrigen Tentakeln trotzen und ihrerseits der Pflanze die Beute klauen. Hier spielte das Mikroklima keine große Rolle. Deshalb konnte ich eine Lichtanlage zusammenbasteln, die uns lange Ansitze mit konstanten Lichtverhältnissen ermöglichte, ohne den Pflanzen und deren Bewohnern zu viel Hitzestress zuzumuten.

Für uns drei Anfänger war das Projekt prägend. Thilo spezialisierte sich danach in seinem Studium auf Pflanzenphysiologie, Thomas machte seinen Traum war und baute eine der europaweit erfolgreichsten Spezialgärtnereien für Karnivoren auf. Na ja, und ich kam über den Weg einer langen afrikanischen ethologischen Feldstudie schließlich ebenfalls in meinem Traumgebiet an: Produktion von Tier- und Naturdokus mit dem Schwerpunkt auf afrikanische Säugetiere.

Als Redakteur hatte ich die Freude, einen TV Film über die neue Sicht auf fleischfressende Pflanzen zu betreuen. Thomas zog dafür durch alle wesentlichen Lebensräume von Nordamerika bis Australien mit den wichtigsten Gattungen und dokumentierte – zum Teil erstmalig – verblüffende Wechselwirkungen von Fleischfressenden Pflanzen mit einigen Mitgliedern ihres Lebensraums. (Abb.: Cover für die DVD in meiner Sammlung)

Dies war in den letzten 40 Jahre beileibe nicht mein erster Besuch bei Thomas. Und meine Frau, die unsere anfänglichen Bemühungen an der Venusfliegenfalle schon mit schmunzelndem Wohlwollen begleitet hatte, ließ es sich auch diesmal nicht nehmen, mit ins Fleischfresser-Paradies zu kommen. Wie immer, faszinierend! Schaut selbst.

Dionea muscipula, so weit das Auge reicht. So eine Auswahl hatten wir vor 40 Jahren natürlich nicht.

Man sieht, wir haben uns praktisch gar nicht verändert — (ahem). Die Begeisterung ist jedenfalls noch da.

Gabi hat mittlerweile noch das eine oder andere Filmabenteuer mit begleiten dürfen, es scheint ihr gut bekommen zu sein.

Für seine Verdienste um die „Fleischis“ ist sogar eine Schlauchpflanze nach ihm benannt worden: Sarracenia thomas – eine besondere Ehre! (Es ist die dunkelrote Sorte rechts im Bild)

Der Anblick solcher Schönheiten ist jedesmal überwältigend. Die Pflanzen sehen bei Thomas meistens besser aus, als im Freiland (hier diverse Sarracenien)

Borneo ist gar nichts dagegen: Eine Kannenpflanze (Nepenthes truncata) hängt im Dschungel eines der Gewächshäuser.