1995: Jenseits der Wüste: Marsabit (ZDF, ORF, RAI, 43 Minuten)
1995: Marsabit: The Heart of the Desert (ZDF, ORF, RAI, 50 Minuten)

In Kooperation mit dem ORF, übernommen von der BBC und Discovery

Das Marsabit-Vulkanmassiv in Nordkenia, von dem mitten in der Wüste Hirten und Wildtiere abhängen.

Löbbecke-Preis: Düsseldorf
Merit Award Beste Kamera: Abbeville; Frankreich
Merit Award for excellent Aerial Footage: Missoula, Montana, USA

Nachdem ich seit 1992 meinen Stubendienst im ZDF geleistet hatte, konnte ich 1994 endlich wieder raus. Die Vervollständigung von Material aus dem “Dornen” Dreh und dem BBC Film “High and Dry” für einen Film über das Marsabit Massiv in Nordkenia schien in erträglicher Zeit möglich. Während des Drehs zu „Dorniges Land“ hatte ich im Frühjahr 1992 nur kurz Zeit gefunden für einen Abstecher in den Norden, durch die Chalbi Wüste in den geheimnisvollen Nebelwald am Marsabit Massiv. Das Gebiet faszinierte mich sofort, eine völlig unerwartete Welt inmitten einer der trockensten Wüsten Kenias. Ein wunderbares Filmthema. Mein Geländewagen wartete 1994 in Nairobi ja noch auf mich. Mit meinem damaligen Assistenten Peter Glaub wurde es eine der unvergesslichen Reisen weitab der Routen der Reiseagenturen. Und es war die erste Zusammenarbeit mit Jeff Bell, Spezialist für „unmögliche Aufnahmen“, mit dem ich danach noch mehrere Produktionen in Afrika machte.

Das Marsabit Massiv ist der Rest einer einst aktiven Vulkanlandschaft und heute eine tropfnasse Oase inmitten der kargen windgepeitschten Chalbi Wüste. Kein Wunder, dass das Wasser der Kraterseen frühen Entdeckern paradiesisch erschien: Hier Lake Paradise. Direkt unter diesem Standort auf dem Kraterwall hatten wir im Krater eines der schönsten Camps, die ich je in Afrika erleben durfte.

Die vergleichsweise niedrigen Stümpfe der erloschenen Vulkane sind das erste Hindernis auf dem Weg der Passatwinde vom Indischen Ozean, so dass sie noch viel Feuchtigkeit transportieren. Die aufsteigende Luft kondensiert fast jede Nacht zu dichtem Nebel, der einen verblüffemd nassen und kühlen Wald am Leben hält: Triefende Bartmoose sind ein unwirklicher Anblick, wenn man aus der nahen Wüste kommt.

Schreiseeadler brüten regelmäßig am Lake Paradise. Es gibt keine Fische in dem See, aber sie finden genügend Frösche und afrikanische Teichhühner, die sie in spektakulären Jagden fangen. Die Schreiseeadler bildeten die Parallelgeschichte zu der Rolle des Massivs für die Hirtenstämme der Umgebung.

Besonders wichtig war bei dieser Produktion eine Empfehlung von Richard Brock: Da gäbe es einen Technikfreak, der Kameras in jede Lage bringt und steuert. Und der wäre gerade in Uganda, wenn ich nach Marsabit unterwegs bin. Jeff Bell traf einige Wochen später mit diversen Containern und Kisten übermüdet auf dem kleinen Feldflugplatz in Marsabit ein. Und strahlte, wie ich es in all den Jahren später immer wieder erlebte.

Drehbesprechung mit Jeff Bell (Mitte) und Peter Glaub (HG) im Krater des Lake Paradise, Marsabit. Jeff brachte seine 16mm Kamera mit einem Minihubschrauber in die unmöglichsten Positionen und ermöglichte mir so, die Perspektive eines jagenden Schreiseeadlers in den Film einzubauen – 1994! Jeff machte sich später mit dem BBC Produzenten John Downer einen Namen, für den er die stilbildenden getarnten und ferngesteuerten Minikameras konstruierte und weltweit in Einsatz brachte (die berüchtigte “Dungcam”, der “Spy in the den”, etc). Ich griff auf seine Fähigkeiten in meinen späteren ZDF-Filmen gerne zurück. Nicht nur, weil er technisch perfekt und unglaublich belastbar ist – Jeff ist an jedem Set eine Garantie für gute Laune!! (Foto Werner Feldmann)

Die BBC war sofort an dem Marsabit-Thema interessiert und Alaistair Fothergill übernahm eine 30 Minuten Version. Es war der Anfang der systematischen Vermarktung der NATURZEIT Filme für den internationalen Markt. Mit Malcolm Penny, dem ehemaligen Leiter der Filmschmiede Survival Anglia, fand ich zu diesem Zeitpunkt einen Partner, der unsere Texte aus der NATURZEIT Reihe ins Englische übertrug und dabei den Zungenschlag beherrschte, der einem englischsprachigen Publikum für Naturdokus vertraut und “richtig” erschien. Malcolm übersetzte fast 10 Jahre alle Tierfilmtexte, die ich zu verantworten hatte. Dazu gab es die neue und fruchtbare Kooperation mit dem Österreichischen Fernsehen, wo Walther Köhler begann, eine international wettbewerbsfähige Tierfilmabteilung aufzubauen. Die Aufbruchstimmung damals war ansteckend und euphorisierend.

Die Elefanten in Marsabit zählten damals zu den größten Ostafrikas, aber sie standen in ständigem Konflikt mit der anwachsenden Bevölkerung. Um das Marsabit Massiv wurde schon viel Feldbau betrieben und die Elefanten wanderten in jeder Regenzeit raus in die umgebende Wüste und mit der Trockenzeit wieder zurück in den Nebelwald. Dies führte häufig zu Zwischenfällen mit Toten auf beiden Seiten – die Dickhäuter reagierten zunehmend dünnhäutig bei Begegnungen mit Menschen! Im Versteckzelt zu sitzen, wenn wenige Meter neben einem nervöse Giganten gurgeln war mir damals noch fremd, man gewöhnt sich aber daran…

Eine der „Singing Wells“: Eine von vielen tief in den Fels getriebenen Brunnenanlagen, die von Schöpferketten jeden Tag geleert wurden. Die Schöpfer synchronisieren sich durch ihren rhythmischen Gesang. Marsabit war lange berühmt für diese Brunnen, doch in den letzten Jahren haben Dieselpumpen die Schöpfer ersetzt. Mehr Wasser fördern die aber nicht, denn es sickert nur eine eng begrenzte Menge jede Nacht durch das Gestein in die Löcher.

Samburu Hirten tränken ihre Rinder im Marsabit Park. Diese Aufnahme entstand 20 Jahre nach den Dreharbeiten im Frühjahr 2015. Heute sind viele Samburu aus dem Süden mit ihren Rindern an das Massiv gezogen. Hirten, Ackerbauern und die Tierwelt leben in einem fragilen Gleichgewicht. Nur ein intakter Wald bringt den kostbaren Nebelniederschlag – und der Siedlungsdruck nimmt weiter zu. Die Samburu werden von den einheimschen Stämme als Fremde betrachtet und das ohnehin karge Weideland ringsum ist längst überstrapaziert. Wie lange der Wald diesem Druck standhalten kann ist ungewiss.

Trailer des Films „Marsabit – The Heart of the Desert“ ZDF, 1995

Trailer für „Marsabit – The Heart of the Desert“ in der internationalen Vertriebsfassung. Der erste Film aus der Naturzeit Reihe, der eine englische Fassung bekam. In England lief er in einer 30 Minuten Version – bei der BBC! Was damals eine seltene „Ehre“ war. Der Beitrag hatte einen hohen Anspruch und wurde in Seminaren als Beispiel für Erzähltechniken in TV Dokumentationen eingesetzt; mein ZDF interner Reisebericht gelang sogar in ein Schulbuch für den Deutschunterricht. Sachen gab’s…